Ich atme das Internet – Bin ich jetzt ein Nerd?

Tl;dr: Ich atme das Internet. Das ist nicht schlimm.*

Es ist ja jetzt modern geworden, die Social-Media-Nutzung zu hinterfragen. Schadet zu viel Facebook meinem Kind? Überhaupt: Wir alle nutzen viel zu viel das Internet und verblöden neuerdings sogar dabei. Zum Glück zeigen Studien aber, dass eher die besser Gebildeten das Netz nutzen – dann ist der Schaden nicht so gravierend**. Obwohl eigentlich ist es doch eh so, dass am Ende des Tages keine Fragen mehr offen bleiben, weil uns Handys und Google im Zusammenspiel immer alle Antworten gleich in Echtzeit liefern – Schirrmacher lässt grüßen. Dabei gehört das Internet doch längst zum Leben, eben so wie es jeder zulässt.

Mein Internet-Tagesablauf

Bei mir ist das ganz einfach: Ich muss morgens pünktlich raus und nutze mein Smartphone als Wecker. Oftmals wache ich schon vor dem Klingeln auf und schaue schnell mal auf meinen digitalen Alleskönner nach wie spät es ist. Da blitzt dann meistens auch das Zeichen auf, dass ich eine neue Mail bekommen habe. Darauf reagiere ich in der Regel: Nur kurz die Mail überfliegen & löschen. Meistens handelt es sich um Hinweise darauf, dass mir jemand Neues bei Twitter folgt oder Amazon speziell auf mich maßgeschneiderte Angebote hat. Dann drehe ich mich um und schlafe weiter.

Um 6:30 klingelt dann der Wecker. Ich stehe auf, gucke auf mein Handy und lösche auf dem Weg ins Bad die nächsten Mails. Normalerweise lege ich das Handy dann auf den Küchentisch, fungiert es doch als Radio für mich, während ich frühstücke. Parallel zum Radiostream checke ich beim Kaffee und überfliege die ersten Statusmeldungen meiner Freunde bei Facebook.

Gegen 7:20 gehe ich zu meinem Auto und mache vielleicht auf dem Weg ein Foto von einem auf die Straße gestellten Fernseher, da ich auf meinem Foto-Blog genau davon Fotos sammele – sozusagen als Erinnerung an die gezählten Tage des Fernsehers. Also Foto schießen, kurz mit einem Instagram-Filter versehen, auf Facebook & Tumblr teilen und ins Auto einsteigen. Auf dem Weg zur Arbeit halte ich an der einen oder andere Ampel und checke kurz, ob bereits jemand mein soeben gepostetes Foto geliked oder kommentiert hat.

Um 7:30 komme ich auf der Arbeit an, checke kurz mit Foursquare ein und fahre den Rechner hoch. Wegen eines fiesen Funklochs lege ich nun mein Smartphone beiseite – der PC übernimmt jetzt die Regie. Outlook an, Tweetdeck an, Facebook auf, Rivva checken, Buzzfeed gucken, Nachrichtenticker an. Diese Routine ist vollständig in meinen Arbeitsalltag integriert. Da ich ja als Nachrichtenredakteur keine Information verpassen will, wiederholt sie sich im 5-Minuten-Takt über den gesamten Arbeitstag.

Integraler Bestandteil meines Arbeitsalltags

Also erfolgt neben der Recherche im Netz für einen Artikel, für ein Interview oder für einen Beitrag ein ständiger Blick in die o.g. Netzwerke oder Seiten, damit ich den ganzen Tag in Echtzeit informiert bleibe. Es schieben sich bei Tweetdeck im Sekundentakt neue Tweets durch meine Timeline, bei Facebook huschen Memes über die Fanpages und im Nachrichtenticker kommt das, was ich vorher schon bei Twitter, FT Alphaville, Buzzfeed oder Mashable gelesen habe.

Gegen 15:30 habe ich – wenn alles nach Plan läuft – Feierabend nach mindestens Acht-Stunden-Monitorarbeit. Ich logge mich aus, fahre den Rechner runter und schnappe mir mein Handy. Auf dem Weg zum Auto ein Blick auf die sozialen Netzwerke, bei denen ich mich vor einer Minute am PC ausgeloggt hatte. Die Frage, ob etwas passiert sein könnte, stellt sich nicht. Es ist Routine. Das gleiche Ampel-Spiel im Auto von morgens setzt sich auch auf der Heimfahrt fort.

Zuhause angekommen kommt das Smartphone in die Ecke, während im gleichen Atemzug der Rechner eingeschaltet wird. In der Zeit, wo der Rechner hochfährt, checke ich auf meinem Tablet die neuesten Artikel in meinem RSS-Reader. Gute Musik, spannende Videos und inspirierende Artikel werden von Werbung & Belanglosem getrennt. Das Beste wird bei Pocket zwischengespeichert oder wandert im Laufe des Nachmittags direkt auf einen meiner beiden Blogs – das hängt davon ab, ob es um Kultur oder Journalismus geht.

Der hochgefahrene Laptop dient in erster Linie als Musikstation, die nicht bloß MP3s abspielt, sondern zumeist Streams von Soundcloud oder Mixcloud abspielt. Die Streams wiederum suche ich mir häufig nicht selbst auf meinem Soundcloud-Account, sondern finden sich auf meinen Lieblings-Musikblogs, die zum Glück schon eine Vorauswahl für mich getroffen haben und mich über Facebook zumeist darauf hinweisen.

… und meiner Freizeit

Am frühen Abend setze ich mich auf mein Fahrrad, um mal abzuschalten und in die Ferne zu gucken. Das passiert aber nicht, ohne meine App Runtastic anzuschalten, damit auch meine absolvierte Strecke ordnungsgemäß per GPS aufgezeichnet wird. Die Funktion, das mich Freunde über Facebook unterwegs anfeuern können, nutze ich nicht – das ist mir zuviel. Ich sitze auf meinem Fahrrad und schaue ungefähr bei Kilometer 23 von 42 auf mein Handy, um zu sehen, dass ich bei Kilometer 23 von 42 bin. Das zeigt mir meine App.

Wieder zuhause angekommen, werde ich meine gerade eben absolvierte Trainingseinheit bei Runtastic hochladen und danach händisch am Laptop die verbrannten Kalorien eintragen, weil dies über die Pulsuhr besser ausgewertet wird als es die grobe Schätzung der App darstellen kann. Beim anschließenden Duschen nutze ich mein Tablet zum Musikstreaming, weil die Boxen besser sind als bei meinem Smartphone.

Das Internet ist live

Beim darauffolgenden Abendessen nutze ich wahlweise mein Laptop oder mein Tablet, um die Nachrichten zu schauen – entweder direkt als Livestream, in einer der fabelhaften Mediatheken oder über Zattoo. Zumeist werden während des Ladevorgangs des Streams noch die Mails und die Twitter-Timeline gecheckt. Im Anschluss an das Abendessen sitze ich oft in meinem Wohnzimmer, schließe meinen Laptop an einen größeren Bildschirm an, gucke Fernsehen und lese parallel auf meinem Tablet die Artikel, die ich tagsüber entweder händisch über Pocket gespeichert habe oder die automatisiert, je nach hashtag, über den Dienst if this than that in meiner Dropbox gelandet sind.

Freilich teile ich die spannendesten Artikel auf Twitter oder Facebook mit meinen Freunden oder Followern – man will ja nicht unsozial sein. Während des Zähneputzen schließe ich meinen Schrittzähler von Fitbit an meinen Rechner an und übertrage die Tagesleistung an mein Fitnesskonto – Quantify yourself lässt grüßen. Zum ins Bett gehen nehme ich manchmal ein Buch mit, meistens aber das Tablet, da ich – bevor ich die Drei Fragezeichen aus meiner Dropbox streame – noch einmal meine Mails checken kann und mich bei Twitter verabschiede.

Ist das jetzt alles zuviel?

Manchmal ist es dann beim Einschlafen ein komisches Gefühl, kein Internet mehr in der Hand zu haben. Aber spätestens, wenn ich morgens wieder aufwache, ist es ja wieder da. Das ist doch jetzt nicht so schlimm, oder?
Disclaimer: Dieser Artikel erscheint auch drüben bei den blogrebellen

* Tl;dr ist inspiriert durch Lobo & dies ist kein Artikel über Datenschutz-Sorgen!
** Bevor ich mich hier um einen Shitstorm kümmern muss: Die Schlussfolgerung ist ein Scherz!

Hi, mein Name ist Martin Giesler. Ich bin Nachrichten-Redakteur beim ZDF in der Redaktion von heute.de. Hier auf 120sekunden.com blogge ich über Medien und alles, was mich sonst so interessiert || Meinen Newsletter mit den besten Links der Woche kann man hier abonnieren.