In den letzten Tagen ereilten mich zwei Nachrichten, die extrem viel miteinander zu tun haben – auch wenn wahrscheinlich nur die eine Hälfte der Verantwortlichen es genau so sehen wird.
Frankfurter Rundschau meldet Insolvenz an
Einerseits hat die Frankfurter Rundschau Insolvenz angemeldet. Das muss nicht das Ende aller Tage für die traditionsreiche Zeitung bedeuten, ist aber sehr wohl ein deutliches Signal, wie es um die Branche bestellt ist. Wenn man dann noch die Gerüchte um Prinz und die Financial Times Deutschland für voll nimmt, den Insolvenzantrag der DAPD berücksichtigt und sich vor Augen führt, dass auch die Newsweek in Zukunft in Papierform nicht mehr stattfinden wird, dann kann und MUSS einem Print-Verfechter schon mulmig werden. Insbesondere dann, wenn nicht erkennbar ist, dass man sich nur der Nostalgie verpflichtet fühlt und keine wirklichen Perspektiven aufzeigt. Zuversicht sieht anders aus.
Relaunch der Coca-Cola Homepage
Auf der anderen Seite steht der Relaunch der Homepage von Coca Cola: Weg von einer reinen Unternehmens-Website, hin zu einer Art Infotainment-Portal, die mit Coca-Cola-Autoren, immerhin sogar vier Vollzeitstellen, die Welt erklären soll. Da finden sich Geschichten zur Zukunft der Autoindustrie oder zur mitreißenden Lebensgeschichte von einer Special-Olympics-Golferin – ja Coca Cola ist innovativ und sozial, verstanden. Die Palette der Beiträge reicht von den Themen Wirtschaft, Gesundheit, Geschichte, Sport, Umwelt, bis zu Innovation und – natürlich – auch der Marke selbst. Obendrein wird das Ganze gewürzt mit einem ansprechenden Community-Management und einer Art Blog, in dem sich Mitarbeiter zu Wort melden. Alles ganz nah dran am Konsumenten und – das versteht sich von selbst – mit einer gehörigen Portion Branding.
Beispiel Red Bull
Was einst ein Getränkedosenhersteller war, ist heute ein Medienunternehmen mit internationaler Strahlkraft, das gerade beim verrückten Sprung von Baumgartner bewiesen hat, dass sie mal locker mehrere Millionen Menschen weg vom Fernseher, hin zu einem Youtube-Livestream locken können. Ja, wie viel klarer müssen wir uns denn den Medienwandel noch vor Augen führen?
Dabei ist Red Bull Stratos ja sogar nur ein Event neben all den anderen medialen Anstrengungen, die Red Bull so gut unternimmt und damit den anderen Medienhäusern aufzeigt, was state-of-the-art ist – egal ob Websites, Apps (schon mal das Red Bull Bulletin gesehen?), Social Media Integration, das Design oder die Inhalte. Red Bull ist dabei, zu einem außerordentlichen Player auf dem Markt zu werden, der – so scheint es – von den althergebrachten Medienhäusern überhaupt nicht als Konkurrent erkannt wird. Da kann Red Bulll auch mit Servus TV einen eigenen Fernsehkanal aufbauen, der die modernsten Studios Europas hat. Die hiesigen Medienhäuser verlieren sich in Grabenkämpfen und der ewig gestrigen Frage: Kann man im Internet überhaupt Journalismus machen? Red Bull hingegen bastelt fröhlich weiter an seinem Mediennetzwerk – und ich feier es, weil sie gute und ansprechende Inhalte liefern!
Beispiel Buzzfeed
Wer aus diesen Grenzüberschreitungen bereits ein Geschäftsmodell entwickelt hat, ist die amerikanische Seite Buzzfeed.com. Die Seite, die vom HuffPo-Mitgründer ins Leben gerufen wurde, kann sich über steigende Zahlen und zunehmende Beachtung in der traditionellen Presse freuen.
Buzzfeed erinnert an eine bunte Tüte Allerlei mit Geschichten rund um Memes und „Die 15 besten Blabla-Listen“. Zur US-Wahl wurde allerdings kein geringerer als Ben Smith von Politico eingekauft, der originär für Buzzfeed Analysen geschrieben hat und damit das Tor zu seriösem Journalismus ganz weit aufgestoßen hat. Infotainment mit journalistischen Highlights lassen sich sogar prima vermarkten.
Der Clou: Buzzfeed vermischt redaktionelle und PR-Inhalte derart miteinander (Im Screenshot ist es ein Artikel von Pepsi), dass sich deutsche Gralshüter vor Schmerzen nur so winden dürften. Da gibt es dann zum Beispiel einen von Mini USA gesponserten Artikel „22 Gründe, warum es sich lohnt, individuell zu sein“. Diese Liste besteht aus 22 Fotos, wovon ein Foto einen Mini zeigt. Da die 21 anderen Fotos aber einem ganz normalen Blogartikel entsprechen, fällt es fast nicht auf, dass der Artikel gesponsert ist und wird somit ganz regulär geteilt und getwittert – embedded ads, könnte man das nennen.
Der CEO von Buzzfeed nennt es social advertising. Die Liste derjenigen, die sich für solche Artikel bereits begeistern konnten, zeigt, wohin die Reise geht. Und zur US-Wahl haben Wahlkampf-Manager von Obama Artikel bei Buzzfeed gekauft – neben Katzen-Memes und News über Britney Spears. Wenn ich mir jetzt anschaue, was für Profis bei Obama am Werk waren, dann könnte man auf die Idee kommen, dass Leser sich eventuell für eine Tageszeitung gar nicht mehr so sehr interessieren – ist aber nur eine Idee.
Soziale Netzwerke werden selbst zu Medienhäusern
Tumblr, LinkedIn und Facebook haben in jüngster Zeit selbst Redakteure eingestellt. Die sollen aber nicht nur langweilige PR-Meldungen schreiben, sondern die besten Inhalte aus den Netzwerken zusammentragen und übersichtlich aufbereiten. Der Grund dafür liegt ja auf der Hand. Keine anderen Unternehmen wissen so genau, was ihre Nutzer mögen. Warum sollten diese Ergebnisse also nicht anschaulich auf einer Seite zusammengestellt werden.
Warum sollte Facebook nicht selbst eine Nachrichtenseite bauen? Die könnte entweder daraus bestehen, die am meisten geteilten kommerziellen Inhalte aufzuzeigen oder aber die Inhalten zu aggregieren, die auf den User zugeschnitten die relevantesten Inhalte zusammenstellt – aus dem Freundeskreis und den geliketen Nachrichten-Seiten. Der Newsstream in der heutigen Form kann ja nur der Anfang sein.
Bei Tumblr gibt es bereits Redakteure, die die besten Inhalte präsentieren. nennt sich das. Im Hangout bei Mashable geben Jessica Bennett von Tumblr und Daniel Roth von LinkedIn Einblicke in ihre Arbeit und erklären, warum sie machen, was sie machen.Das sollte sich ruhig mal jeder Medienmacher anhören – und danach durchaus mit den Ohren schlackern.
P.S.: Google hat gerade mehr mit Werbung eingenommen, als die gesamte US-Printpresse zusammen. Nur mal so.
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