Es gibt so TV-Eigenarten, die sind so unheimlich, dass es sie eigentlich gar nicht geben dürfte. Aber das Gegenteil ist der Fall. Egal zu welcher Tageszeit wir den Fernseher einschalten: Es läuft garantiert gerade einer von links nach rechts durchs Bild. Fernsehmacher nutzen gern diesen sogenannten Gang ohne Grund (in Fachkreisen: GOG), um ihre Protagonisten zu etablieren. Das geht dann meistens so: Experte/ Politiker/ Betroffener geht von A nach B, Journalist erzählt darauf etwas:
Auch Karl Müller kennt das Problem. Schon seit Jahren ärgert er sich über zu hohe Strompreise. Doch damit soll jetzt endlich Schluss sein.
Dann Umschnitt auf Karl Müller, der mittlerweile irgendwo am Tisch sitzt und seinen O-Ton in die Kamera quatscht. Das macht meistens nicht nur optisch keinen Sinn, sondern ist auch zu 99 Prozent inhaltlich völliger Käse.
Na klar, der Journalist muss seinen Protagonisten irgendwie etablieren. Aber doch nicht, indem er ihn völlig sinnbefreit von A nach B stolpern lässt. Das wirkt nicht nur unnatürlich, es ist es ja auch. Versucht Ihr mal völlig normal von links nach rechts zu gehen, während Ihr gefilmt werdet. Das sieht immer bescheuert aus. Dazu kommt, dass dieser GOG auch noch ganz am Ende des Termins gedreht wird, dann heißt es meistens:
Hier, Kameramann, ich brauche übrigens noch schnell einen Antexter von ihm, bevor wir fahren. Kannst Du das kurz noch machen?
Und weil der Kameramann oft von der uninspirierten Art des Redakteurs angesteckt wird, kommt dann am Ende wieder ein GOG raus. Die Zeit drängt, die Langeweile steckt an, Menschen sind faul. Manchmal muss der GOG sogar noch einmal gedreht werden. Dann wird es meistens noch natürlicher. Damit sich das ändert und wir den Fernsehzuschauer nicht mit sinnlosen Einstellungen quälen, würde ich jedem Kollegen folgende Punkte an die Hand geben wollen:
- Der Journalist sollte sich im Vorfeld sehr genau überlegen, welche Rolle der Protagonist im Beitrag spielt. Ist die Meinung des Protagonisten wichtig? Soll er Emotionen erzeugen? Hat er eine erklärende Funktion?
- Der Journalist sollte sich mindestens genauso sehr Gedanken über die Bildgestaltung machen, wie über die Interviewfragen selbst.
- Der Protagonist sollte möglichst durch mehrere Einstellungen etabliert werden. Nur dadurch kann ein Kontext hergestellt werden. Situative O-Töne sind meistens authentischer.
- Don`t tell it. Show it!
- Menschen sind ein Stück Film!
Je mehr die Interviewsituation der natürlichen Kommunikation entspricht, desto besser wird der Beitrag. Ansonsten wird dem Zuschauer nur gesagt: Vorsicht, da kommt jetzt einer, der was sagt, hör bloß nicht hin! Wie schöne Antexter funktionieren, zeigen immer wieder die Kollegen vom Elektrischen Reporter. Hier überlegen sich die Filmemacher von Anfang an, wie der Protagonist etabliert werden soll. Sei es durch schöne Settings, sei es durch eine schöne Bildsprache.
Schluss mit dem nervigen Gang ohne Grund! Wir machen ja schließlich Fernsehen und nicht Radio mit irgendwelchen Bildern. Wir sind von der Macht der Bilder fasziniert und drehen am Ende doch wieder nur das, was wir schon millionenfach gesehen haben. Das macht doch keinen Sinn. Oder wie seht Ihr das anders?